4. Tag: Stockholm - Turku (bis Stockholm 35km)

Als wir am Morgen nach einem erholsamen Schlaf die Augen öffnen, verheißt der Blick aus dem Fenster nichts Gutes. Es regnete im Strömen. Der Himmel hat über Nacht alle Schleusen geöffnet. Was für ein Mist, eigentlich wollen wir uns heute Stockholm ansehen. Das macht bei dem Wetter natürlich erstens keinen Spaß und hat zweitens auch verdammt wenig Sinn, denn krank wollen wir nicht unbedingt werden. Wir haben ja noch drei Wochen vor uns.

Wir fassen den Entschluss, uns etwas Ruhe zu gönnen. Wir genießen also das tolle Frühstück, geben gegen 10h unser Zimmer ab und suchen uns dann in der Hotellobby ein lauschiges Plätzchen. Dort haben wir endlich Zeit, die neue Enduro und Motorrad Abenteuer zu lesen, die kurz vor der Abfahrt noch im Briefkasten gelandet waren. Die Hoffnung, doch noch in die Stadt zu können bleibt vorerst unerfüllt. Als ein deutsches älteres Ehepaar, das auf dem Weg zum Auto war, plötzlich wieder in der Lobby steht, wissen wir, dass es besser war die Tiefgarage zu nehmen. Man hatte ihnen über Nacht das Auto "aufgebrochen".

Die Scheibe auf der Fahrerseite wurde eingeschlagen. Glücklicherweise fehlt nichts, weil sie am Abend zuvor alles aus dem Auto geholt haben. Aber auch die beiden schauen sich Stockholm wohl nicht mehr an, das Auto muss repariert werden. Ich helfe ihnen als Dolmetscher. Der nette Kerl an der Rezeption fährt daraufhin mit den beiden los und veranlasst alles. Alleine deswegen hebt sich das Hotel schon von anderen ab.

Die Wettervorhersage für die nächsten Tage in Finnland sieht deutlich besser. Okay, wir haben auch nicht damit gerechnet, regenfrei davonzukommen. Aber in Stockholm find ich das schon blöd. Ich kenne die Stadt schon, Vattern noch nicht. Gegen 14:30h bringen wir das Gepäck zu den Mopeds in die Tiefgarage und machen uns im leichten Regen auf Richtung Fähre. Das Wetter wird unterwegs immer besser und im Zentrum angekommen, zeigt sich schon wieder die Sonne. 

Die Stadt hat schon etwas ganz Besonderes. Stockholm ist unheimlich schön, mit beeindruckenden Gebäuden und Wasser ist allgegenwärtig. Trotz ihrer Größe wirkt sie eigentlich nicht hektisch oder stressig. Der Verkehr ist für ortsunkundige allerdings schon anstrengend. Man gut, dass man sich wenigstens dank Navi nicht mehr verfahren muss.

Der Wechsel von Regen auf Sonne ging so schnell, dass wir innerhalb von Minuten wieder trocken sind und unsere Regenkombis in die Packtaschen verbannen. Hoffentlich bleibt es nun endlich trocken. Ich hätte meinem Vater gerne noch mehr von Stockholm gezeigt, zum Beispiel das Vasa Museum, welches man hier von weitem sehen kann. Das schwedische Kriegsschiff sank auf seiner Jungfernfahrt. Nun steht es gut restauriert in diesem Museum, welches drum herum gebaut wurde.

Wir lassen uns die Laune ob der Wetterquerelen natürlich nicht vermiesen. Wann ist man schon mit dem eigenen Moped in Stockholm? So langsam wird mir erst richtig bewusst, was für eine Reise noch vor uns liegt. Man kann tagelang Kilometer fressen. Und schaut man dann mal auf eine große Übersichtskarte und betrachtet unsere Route, fällt auf, dass wir erst einen ganz kleinen Teil geschafft haben. Was für ein tolles Gefühl, noch so lange unterwegs sein und so viele Eindrücke gewinnen zu können. Schweden lassen wir nun bald hinter uns und ich bin schon gespannt auf Finnland. Immerhin werden wir dieses Land einmal von Süd nach Nord durchqueren.

An der Fähre angekommen, nutzen wir die eingebaute Pufferzeit zum Rumschlendern. Etwas zeitliche Reserve sollte man an Fährtagen immer haben. Nichts wäre blöder als die Fähre zu verpassen. Und man weiß ja nie was unterwegs so alles schief gehen kann. In der Schlange zum Check-in kommen wir mit einem Bikerpärchen aus Finnland ins Gespräch, die auf dem Weg nach Hause sind - zur Mittsommernacht. Dieses Fest ist das Jahreshighlight der Finnen. Es wird auch in anderen skandinavischen Ländern gefeiert, allerdings nicht zeitgleich. Später mehr dazu. Wir unterhalten uns auf Englisch. So viel wie in diesem Urlaub habe ich seit langem nicht mehr Englisch gesprochen. Da fehlt einem schon das ein oder andere Wort, das einem früher leicht über die Lippen kam. Aber man kommt zum Glück schnell wieder rein. Mit dem Pärchen aus Spanien mit der FJR1300 war die Unterhaltung schon schwieriger. Wir waren uns aber auch so gleich sympathisch.

Geheilt von den Erfahrungen der letzten Fährfahrt, wollen wir dieses mal schlauer sein - wir sind ja nun schon fast "Fährprofis". Im festen Glauben, dass die Motorräder wieder ganz vorne stehen werden, haben wir den ganzen Ablauf gedanklich schon abgehakt. Natürlich kommt alles anders. Hier werden die Mopeds aus den einzelnen Schlangen herausgewunken und etwas abseits der Fahrspuren gesammelt. Alle anderen Fahrzeuge fahren vor uns auf die Fähre. Echt interessant, welche Logistik dahinter steckt. 

Schlimm ist die Tatsache, dass unsere Kabine ganz vorne liegt und wir die ganzen Sachen quer durchs Schiff zum Bug schleppen müssen. Die endlosen Gänge und unzähligen Türen erinnern irgendwie an eine Legebatterie. Nach zwei Touren ist alles in der Kabine verstaut und wir sind komplett durchgeschwitzt. Die machen das extra!

 

Was sich heute auf der Fähre abspielt, entzieht sich unserer Vorstellungskraft. Es ist Samstag und am Wochenende fahren die Schweden und Finnen gerne selber mit der Fähre, weil dort der Alkohol billiger ist als an Land. Es sind also etliche Alkoholtouristen an Bord, die entweder in den Gängen schlafen, gar nicht schlafen oder eine Zweibettkabine mit acht Leuten bevölkern. Nur gut, dass wir nicht neben so einer Horde untergekommen sind.  

Als die Fähre ablegt, sind wir auch schon auf dem Weg aufs Oberdeck. Die Fahrt durch die Schären darf man sich nicht entgehen lassen. Ich hatte vor einigen Jahren schonmal die Gelegenheit dazu, allerdings war es da so neblig, dass man nicht viel sehen konnte. Diesmal hat uns der Wettergott nicht enttäuscht. Bei schönstem Sonnenschein fuhren wir der "Dämmerung" entgegen.

Schon beneidenswert, dass die Schweden hier quasi rund um die Uhr Wassersport betreiben können - es wird ja nicht wirklich dunkel. Wobei es in diesen Breitengraden schon noch einen Unterscheid zwischen Tag und Nacht gibt. Das soll sich im Verlauf der Reise noch ändern. Am Wochenende zieht es die Stockholmer raus in die Schären zu ihren Wochenendhäuschen. Davon können wir nur träumen. Es gibt da doch echt kleine Inseln, auf denen nur ein oder zwei Häuser stehen. Das muss Erholung pur sein. Man merkt sofort wie wassersportverrückt die Schweden sind. Zu jedem Häuschen gehört hier natürlich auch mindestens ein Boot (irgendwie müssen die Leute ja auch zu den Häusern hin gelangen). Überall wuseln Boote herum, Jet Skis spielen in den Wellen der Fähren, woanders wird gegrillt oder geangelt. Das Leben spielt sich hier am, im und auf dem Wasser ab. Das könnte ich mir auch gefallen lassen. Von der riesigen Fähre haben wir einen tollen Überblick über das ganze Treiben - besser als Kino.

Zu jedem Haus gehört natürlich auch ein eigener Mast, an dem die schwedische Flagge gehisst ist, wenn die Besitzer da sind. Der Nationalstolz der Schweden scheint echt groß zu sein. In Deutschland unvorstellbar. Unser Abend nähert sich langsam dem Ende, da wir ja am nächsten morgen wieder früh raus müssen - dieses mal aber wirklich. Das Oberdeck ist eigentlich auch der einzige Ort, an dem man es auf der Fähre aushalten kann. Im Innern herrscht ein wahnsinns Lärmpegel, verursacht von 2.500 Passagieren, davon gefühlt bestimmt die Hälfte Kinder. Wir sind gespannt auf den nächsten Tag, auf Finnland.